Agiler Geschichtsunterricht

Am Anfang des Schuljahres musste ich spontan einen Geschichtskurs im Jg. 11 übernehmen. Ich hatte keine Zeit mehr, mich fundiert auf die inhaltlichen Herausforderungen des Bildungsplanes einzuarbeiten. Da erinnerte ich mich an meine Session auf der Edunautika im September 2020 zum Thema Agiles Lernen. Ich konzipierte also den Geschichtskurs, der epochal stattfand mit 10 Unterrichtswochen, nach agilen Prinzipen. Die Epoche ging heute zu Ende, und ich möchte hier eine erste Bilanz der agilen Unterrichtssequenz geben.

Agiles Lernen heißt, flexibel auf ein Ziel hinzuarbeiten, im Team zu agieren, den Arbeitsprozess vor den Lehrplan zu stellen und die Erstellung eines Arbeitsproduktes in festgelegten Schleifen (Sprints) zu gestalten. Die Prinzipien des agilen Arbeitens sind im Agilen Manifest dargelegt.

„Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln, indem wir es selbst tun und anderen dabei helfen. Durch diese Tätigkeit haben wir diese Werte zu schätzen gelernt:

Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge

Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation

Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung

Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

Das heißt, obwohl wir die Werte auf der rechten Seite wichtig finden, schätzen wir die Werte auf der linken Seite höher ein.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Agile_Softwareentwicklung

Im Bildungsplan Geschichte in Hamburg sind vier Oberthemen mit jeweils sechs Beispielen aus unterschiedlichen Epochen vorgegeben. Es geht um die geschichtliche Orientierungskompetenz.

Ich habe die Klasse in Teams von 3-4 Schüler_innen aufgeteilt und ihnen den Auftrag gegeben, sich auf ein Oberthema zu einigen, das sie bearbeiten wollen. Der Auftrag umfasst die Erarbeitung des Oberthemas und die Erstellung eines Produktes, das für die anderen Schüler_innen das Thema erfassbar macht. Das Produkt kann eine Präsentation, eine Broschüre, ein Podcast, ein Video o.ä. sein. Die Auswahl steht dem Team frei. Das Produkt sollte aber unabhängig von einer Präsentation vom Konsumenten genutzt werden können.

Jedes Team sucht sich drei Epochenthemen für das Oberthema aus, die sie bearbeiten wollen – pro Teammitglied eines. Es soll aber ein gemeinsames Produkt entstehen.

Die Kommunikation der Teams erfolgt über ein Padlet. Jedes Team bekommt eine Spalte im Padlet – und schreibt zuerst die Themen und Epochen hinein, auf die sich das Team geeinigt hat.

Der Geschichtskurs ist 2-stündig, 90 Minuten. Am Anfang der Stunden gebe ich eine strukturierende Übersicht und einen Input. Der erste Input bezieht sich auf die agile Methode. Diese Inputs können in einer eigenen Spalte im Padlet nachvollzogen werden. Weitere Inputs beziehen sich auf das

• Bearbeiten von historischen Quellen, auf die
• Übersicht über die geschichtlichen Epochen und auf die
• Unterschiede von Sach- und Werturteilen.

Jedes Team bekommt ein Kanban-Board auf einem Flipchart-Papier. Mit einem Stapel Post-Its ausgerüstet, planen die Teams ihre ersten Sprints. To Do – Doing – Done sind die Spalten im Kanban-Board. Wichtig ist dabei, das die Tasks, die Aufgaben-Einheiten, in einer Woche von einer Person zu erledigen sind. Auf den Post-Its werden die Aufgabe und der Name des Teammitglieds geschrieben, die die Aufgabe übernimmt.

Dann ging es in vier Sprints. Ein Sprint ist ein Zyklus, in dem ein Produkt entwickelt wird. Ein Sprint läuft in einem festgelegten Ablauf ab. Bei uns lief der Sprint über eine Woche, von Stunde zu Stunde:

• Sprint Planning: Das Kanban-Board wird mit Tasks bestückt und auf das Team verteilt.
• Task-Operation: Aufgaben abarbeiten
• Stand-Up-Meeting: Kurze Treffen, die den Stand der Arbeit austauschen
• Sprint-Review: Was wurde im Sprint geschafft, was muss im nächsten Sprint erledigt werden?

Das Team erstellt einen kurzen Sprint-Review-Bericht, den es in seine Spalte im Padlet stellt. Der Bericht dient als Arbeitsnachweis.

Und dann beginnt der Zyklus von neuem, mit neuen Tasks. Vorteil dieser Methode ist, dass keine starre Zeitplanung eingehalten werden muss, sondern flexibel, agil, auf die Arbeit des Teams reagiert werden kann. Jedes Team macht seinen eigenen Plan. Es wird kein Plan vom Lehrenden vorgegeben.

Das heißt aber auch für mich als Lehrer, Kontrolle abzugeben. Ich war nicht mehr im Bilde über den Arbeitsstand in den Team und musste auf die Arbeit der Schüler_innen vertrauen. Das ist ein ganz wichtiges Element im agilen Arbeiten. Das Loslassen von der Kontrolle – das ist eine schwierige Aufgabe und ein großer Rollenwechsel.

Die Ergebnisse der Schüler_innen waren meist Präsentationen, von denen einige sogar mit einer Audiospur besprochen wurden. Eine Gruppe hat eine Broschüre erstellt, eine andere ein Plakat. Die Produkte können alle Schüler_innen des Kurses für die weitere Arbeit im Fach Geschichte mitnehmen.

Nach der Fertigstellung der Produkte stellten die Team in „Vermittlungsgruppen“ ihre Ergebnisse vor. Wir bildeten drei Vermittlungsgruppen, in den jeweils ein Vertreter jeder Gruppe saß. Die erste Vermittlungsrunde diente der Information, in der zweite Vermittlungsrunde erfolgte die Diskussion übergeordneter Fragestellungen. Die Fragen wurden von mir vorgeschlagen und dienten der Vorbereitung eines Fachgespräches in der ganzen Klasse. Die Schüler*innen konnten aus einer Expertenrolle heraus allgemeine Fragen zur historischen Orientierungskompetenz diskutieren. Die beiden Vermittlungsrunden waren je 90 Minuten lang.

Den Abschluss der Erarbeitung bildete das Fachgespräch. Hier wurden die in den Vermittlungsrunden andiskutierten Fragen wieder aufgenommen und in der ganzen Klasse diskutiert. Hier habe ich als Lehrender die Moderation übernommen, um Impulse und Strukturierung geben zu können. Ziel des Fachgespräches war die Einordnung historischer Ereignisse in geschichtliche Prozesse und die Diskussion von Ursachen und Wirkungen von Ereignissen. Die Schüler*innen konnten ihre erarbeiteten Ergebnisse in einen größeren Kontext einordnen.

Das Fachgespräch wurde hinsichtlich der Qualität der Beiträge bewertet und war neben den Produkten und der Dokumentation der Sprints der dritte Baustein in der Bewertung der Kursleistung. Es gab dabei gemäß dem Kompetenzprinzip („es gibt keine negativen Kompetenzen“) keine falschen Aussagen. Ich benutzte das von mir erstellte Kompetenzraster. Das Ziel war nicht ein Abfragen von Wissen, sondern die Schüler*innen dazu zu bringen, über historische Zusammenhänge zu diskutieren.

Den Abschluss der Epoche bildete die (leider) obligatorische Klausur.

Im Feedbackgespräch habe sich die Schülerinnen alle positiv über die Arbeitsmethode des Agilen Lernens geäußert. Sie hätten gerne mehr Zeit gehabt, die Prinzipen einzuüben. In der Tat waren 10 Wochen eine kurze Zeit, sich an ein neues Konzept zu gewöhnen. Die Arbeitsorganisation über das Padlet haben die Schülerinnen als hilfreich und übersichtlich empfunden.

In der nächsten Klasse werde ich dieses Konzept verfeinern. Die in der Klausur deutlich gewordenen offenen Bereiche wie der Umgang mir Quellen und Zitaten oder die Erstellung eines Sachurteils werde ich in der nächsten Epoche mehr berücksichtigen. Für die Kürze der Zeit war diese agile Geschichtseinheit eine gelungenes Experiment.

Lernstationen Geschichte: Vom Kriegsende bis zur Gründung zweier Deutscher Staaten

Ich möchte heute meine Lernstationen für den Jahrgang 10 einer Gesamtschule hier als OER zur Verfügung stellen.

Die Stationen können die SchülerInnen selbständig bearbeiten. Sie benötigen aber z.T. auch einen Computer und Internetanschluss. Die Lehrperson kann sich voll auf die individuelle Unterstützung bei der Arbeit konzentrieren sowie auch Diskussionen zum Thema anregen.

Ich habe parallel ein Wiki geführt, in dem die wesentlichen Inhalte festgehalten wurden.

Über Rückmeldung würde ich mich freuen.

Gründung 2er dt. Staaten Stationen