Viele Schüler*innen sehen die Schule nur noch als Prüfungsmaschine. Sie hechten von Klausur zu Test, das dazwischen wird als notwendiges Übel gesehen. Einen Sinn können sie in dieser Konstruktion oft nicht erkennen.
Dabei wäre Sinn etwas, was wir in der Schule dringend gebrauchen können. Ein Baustein dazu, wie wir wieder Sinn in das Lernen in der Schule bringen können, ist Agiles Lernen. Das Grundkonzept habe ich schon einmal in einem vorherigen Artikel beschrieben (klick hier) und es gibt viele tolle Blogartikel zum Agilen Lernen.
Ich möchte hier meine Erfahrungen teilen, wie man mit dem Konzept des Agilen Lernens ein Angebot für einen Sinn im schulischen Lernen machen kann. Es kann nur ein Angebot sein, weil man „Sinn im Tun“ nur selber finden kann, er ist nicht durch einen Lehrplan zu verordnen. Aber als Lehrender kann ich einen Raum schaffen, dass die Schüler*innen einen Anknüpfungspunkt zu Ihren eigenen Ideen und Emotionen finden und damit ihr schulisches Lernen etwas mehr mit ihrem persönlichen Leben zu überlappen.
Erster Baustein: Im Agilen Lernen werden Produkte hergestellt, die etwas nützen. Der einfachste Nutzen kann es sein, eine Aufarbeitung der Lerngegenstände herzustellen, die bei dem nächsten Test oder Klausur helfen kann, die Aufgaben erfolgreich zu lösen. Das setzt natürlich eine Prüfungskultur voraus, in der die Schüler*innen ihre Aufzeichnungen bei den Prüfungen nutzen dürfen.
Zweiter Baustein: Agiles Lernen ist nicht linear, sondern asynchron. Es wird nicht stur ein Lernplan (Chapter 2-7) abgearbeitet, sondern die Lernenden entscheiden im Team ihre Arbeitsschritte. Eben agil, an die gerade vorhandenen Notwendigkeiten angelehnt. Wenn Schüler*innen ihre Lernwege selbst bestimmen können, trägt es zur Sinnfindung im Lernen bei. Das muss nicht heißen, dass es keine linearen Übungsphasen geben kann, sie sind aber eher ein Exkurs.
Dritter Baustein: Lernergebnisse haben einen Wert. Sie werden nicht nur zur Notenermittlung erstellt, sondern haben einen realen Wert: Sie werden ausgestellt, anderen Schüler*innen zur Verfügung gestellt, veröffentlicht usw.
Vierter Baustein: Lernen findet nicht nach einem vorgegebenen Plan statt, sondern den Plan machen die Schülerinnen in ihren Team selber. Die Schülerinnen-Team stellen ihren Backlog zusammen, erstellen Tasks und teilen die Aufgaben in ihrer Gruppe auf. Flankierend gebe ich als Lehrender inhaltliche Inputs oder Strukturierungshilfen für die Teamarbeit, z.B. in Form einer Fortschrittsliste.
Ein typischer Workflow im Agilen Lernen sieht folgendermaßen aus:
Ich erstelle einen Arbeitsplan, in dem ich den Rahmen des Lernprojekts abstecke. Darin enthalten ist das inhaltliche Thema (worum geht es?), Aufgaben und Arbeitsvorschläge (hier achte ich darauf, dass alle Anforderungsbereiche abgedeckt sind), freie Aufgaben sowie Materialien und Links.

Das zu erstellende Produkt, das das Team am Ende abgeben muss, lege ich fest oder bespreche mit der Klasse das Produkt.
Zuerst erstellen die Teams einen Backlog, sie sammeln alle Teilaufgaben auf Post-Its und kleben sie auf ein Blatt. Das kann auch die Form eines Brainstormings haben. Die Schüler*innen sammeln erste Ideen für ihr Team-Produkt (z.B. ein Dossier, ein Portfolio, eine Präsentation, einen Film usw.).

Dann geht es in den ersten Sprint: Aus dem Backlog werden die Aufgaben/Post-Its, die in dem ersten Zeitabschnitt (z.B. eine Woche) erledigt werden sollen, im Kanban-Board nach „To-Do“ verschoben. Dann wird genau geschaut, ob die Aufgaben auf den Klebezetteln auch wirklich in einem Sprint zu schaffen sind oder zu umfangreich sind (was bei Schüler*innen schnell passiert). Dann muss die Aufgabe auf mehrere Post-Its verteilt werden.
Nach diesem Schritt werden die Aufgaben im Team verteilt: Sprint-Planning. Die Tasks werden in die Spalte „Doing“ verschoben. Und dann geht die Arbeit los.

An einem festgelegten Zeitpunkt wird die Arbeit für ein Stand-up-Meeting unterbrochen: Für ca. 5 Minuten trifft sich das Team vor dem Kanban-Board und bespricht den Arbeitsstand. Dann geht die Arbeit weiter.
Am Ende des Sprints muss Zeit eingeplant werden, den Zwischen-Arbeitsstand, den Prototypen des Produkts, beim Product Owner (meist die Lehrperson) abzugeben (Sprint Review). Die Lehrenden können dann bis zur nächsten Woche (nächster Sprint) sich die Zwischenergebnisse anschauen und ein Feedback geben.
Zum Schluss trifft sich das Team und macht eine Retrospektive und schreibt stichwortartig auf, wie die Teamarbeit im Sprint gelaufen ist und was im nächsten Sprint verbessert werden soll.

In der nächsten Woche beginnt der Kreislauf von neuem. Man verabredet vorher, wieviele Sprints vorgesehen sind und wie perfekt das Produkt am Ende sein soll.
Es ist völlig egal, ob man diesen Prozess analog oder digital durchführt. Analog arbeite ich mit Flipchartpapier und gelben Post-Its, jedes Team hat ein Kanban-Board. In letzter Zeit arbeiten die Schüler*innen mehr digital, dann erstelle ich ihnen auf Taskcards ein Board, das sie sich selber gestalten.
Am besten man fängt einfach mal an und geht mit den Schülerinnen zusammen auf Entdeckungsreise in der Welt des Agilen Lernens. Die Schülerinnen werden sich freuen, selbstbestimmter Teil des Projekts zu sein.