Nach den Frühjahrsferien sollen die Abschlussjahrgänge wieder in den Präsenzunterricht kommen. Viel wurde in den letzten zwei Monaten darüber diskutiert und geschrieben, welche negativen Auswirkungen die Schulschließungen auf die Entwicklung der jungen Menschen haben. Das unsägliche Wort der „Lernrückstände“ wurde geboren, als ob sozialen Probleme, die Isolation, übermäßige Internetnutzung, fehlende Bewegung usw. nicht existieren würden.
Jetzt sollen wieder die Schüler*innen, die Prüfung machen, in die Schule kommen. Damit zeigt sich deutlich, wo die Kultusminister den Schwerpunkt in der Schule sehen: Im Absolvieren von Prüfungen. Dahinter hat sich alles unterzuordnen. Warum ist die Prüfung eines Neuntklässlers wichtiger als das Lernen eines Achtklässlers?
Hier in der Krise der Pandemie zeigt sich die Krise des Bildungssystems: Es ist in erster Linie auf Berechtigungen, Abschlüsse und Auslese ausgerichtet, und erst nachrangig am Lernen. Die Persönlichkeitsentwicklung kommt in den Bildungsplänen kaum vor.
Jetzt in den Zeiten der Schul-wieder-Öffnung sollte doch auf das Fördern des Lernens der Schwerpunkt gelegt werden, auf das Schaffen eines sozialen Miteinanders, das solange gefehlt hat, auf das Miteinander und die Bestärkung, dass die junge Generation keine benachteiligte Generation ist.
Aber wir Lehrenden sollen die Schüler*innen auf Prüfungen vorbereiten.
Das ruft nach einer Trennung von Lernen und Prüfen. In der Schule sollte in erster Linie Zeit für das Lernen und das Machen von Erfahrungen sein. Wenn es um Abschlüsse und Prüfungen geht, sollten diese vom Lernen deutlich getrennt werden.
Gerade der „Wackelpudding“ aller Bewertungen, die mündliche Mitarbeit, ist völlig in das Ermessen des Lehrenden gelegt. Selten werden klare Kriterien angewendet. Stille und zurückhaltende Schüler*innen haben hier kaum eine Chance.
Das Lernen, das überprüfbar sein muss, ist ein anderes Lernen als das freie, unbewegtere Lernen. Hier sind Irrtümer, Umwege, Erfahrungen, möglich, die nicht in ein Bewertungssystem zu pressen sind. Ich merke es oft an mir selbst: Wenn ich Aufgaben für einen Lernabschnitt konzipiere, habe ich schnell die Frage im Kopf: Wie kann ich das bewerten.
Aus dieser Falle möchte ich heraus. Schule sollte für mich ein Ort sein, in dem jungen Menschen gefördert und begleitet werden. Die Frage nach der Prüfung und Bewertung sollte ausgelagert werden, zumindest aus dem täglichen Lerngeschäft.
Mindestens sollten die Schulschließungen den Diskussion auf veränderte (Über-) Prüfungskulturen legen. Wir brauchen andere Verfahren, um Berechtigungen auf nächste Lernschritte zu verteilen, wie die Gymnasialempfehlung, der erste und zweite Bildungsabschluss, das Recht, auf die Oberstufe gehen zu können, das Recht eine Universität besuchen zu können.