Unter diesem Titel fand am 2.Juli 2014 die Bad Wildbader Bildungsgespräche in der Landesakademie für Lehrerbildung in Baden-Würtemberg statt. Ich hatte das Vergnügen, meine Erfahrungen als Hamburger Lehrer mit der Nutzung unterschiedlicher Internetressourcen im Lernen in die Diskussion einbringen zu können.
In Baden-Würtemberg ist es Lehrern, wie auch in Schleswig-Holstein, nicht erlaubt, Facebook für die Kommunikation und Lernorganisation zu nutzen, weil Facebook die Datenschutzgesetze Deutschlands nicht einhält. In der Diskussion wurde erörtert, ob das Facebook Verbot gerechtfertigt ist oder ob damit ein hilfreiches Tool für die moderne Arbeit im Klassenzimmer verloren geht. Und auch, ob es sinnvolle Alternativen gibt.
Ich finde es durchaus nachvollziehbar, dass Verwaltungen und Datenschutzbeauftragte öffentlichen Institutionen wie den Schulen die Benutzung von Facebook verbieten, da sich facebook nicht an die deutschen Datenschutzrichtlinien hält und sich mit dem Firmensitz in Irland auch einer deutschen Rechtssprechung entzieht. Hinzu kommt der massive Zugriff des US-Geheimdienst auf die Server von Facebook. Nicht zuletzt verliert man als facebook-Nutzer alle Rechte an seinen Daten und kann diese, einmal hochgeladen, nicht mehr einfach löschen. Diese Gründe sprechen gegen eine Nutzung von Facebook an Schulen.
Aus Sicht eines Lehrers will ich aber zuerst die Frage in den Blick nehmen, welche didaktischen Ziele will ich erreichen. Erst daran kann ich die Frage beantworten, welches Tool sinnvoll für die Erreichung des Zieles ist. Allein die Tatsache, dass Facebook fast von allen Jugendlichen genutzt wird und die Benutzung den meisten bekannt ist, reicht für einen didaktischen Mehrwert noch nicht aus.
Ich halte folgende didaktische Grundsätze wichtig für ein erfolgreiches Lernen und damit auch für wichtig für die Auswahl der richtigen Tools:
1. Die Ziele des Lernens müssen klar sein: Was kann ich hinterher besser als vorher?
2. Man braucht sinnvolle Aufgaben, um diese Ziele zu erreichen.
3. Man muss von dem ausgehen, was man kann: Die Ressourcen müssen bekannt sein.
4. Es sollte eine autonome Lernumgebung geschaffen werden. Eigene Wege zum Ziel sollten mögliche sein.
5. Erfolgreiches Lernen braucht die Unterstützung eines professionellen Lehrers, er sollte Feedback und Hilfen bieten.
6. Die Inhalte und Informationen sollten in einer gut präsentierten Form vorliegen.
7. Kooperatives Lernen sollte möglich sein, denn Lernen ist eine soziale Angelegenheit.
8. Wissen konstruiert sich in den Köpfen der Lernenden autonom.
Ich will das am Beispiel des 6. Punktes erläutern. Inhalte und Informationen sind für das Lernen unabdingbar. Ob diese klassisch über ein Schulbuch oder Arbeitsblatt präsentiert werden oder über eine website oder ein youtube-Video oder ganz klassisch durch einen Lehrervortrag, sagt noch nichts über die Qualität aus. Es gibt gute Lehrervorträge, die fesseln, und unübersichtliche websites. Die Auswahl der richtigen Tools, ob online oder offline, digital oder analog, ist immer wieder eine neu zu treffende Entscheidung. Dabei ist der Punkt 3 sehr wichtig: wie sind die Resourcen oder Vorerfahrungen der Lernenden. Da meist die Lehrenden diese Entscheidung treffen, ist dieses der zentrale Punkt der „Lehrkunst“.
Die pauschale Bewertung, ein ipad sei besser als ein Lehrbuch, halte ich deshalb für falsch. Jedes Tool kann in verschiedenen Situtionen seine Berechtigung haben. Auf die Mischung kommt es an.
Es kann durchaus sinnvoll sein, die Informationen für das Lernen digital und online zur Verfügung zu haben: Ein Schulbuch ist außerhalb des Unterrichtsraumes nicht verfügbar; Lernende waren in der Stunde krank; Arbeitsblätter gingen verloren; man war in der entsprechenden Unterrichtsstunde nicht aufmerksam usw. Dann kann es hilfreich sein, die Informationen online von zu Hause oder anderswo nachlesen zu können.
Auch für das autonome Lernen (Nr. 4) bieten digitale Lösungen sinnvolle Ergänzungen. Im individualisierten Lernen sollte nicht jeder Lernende alle Aufgaben machen, sondern die für ihn sinnvollen. Dabei bieten digital bereitgestellte Aufgaben eine bessere Möglichkeit, die auszuwählen, die zu dem Lernstand des Lernenden passt. Die Kopienschlacht im Klassenzimmer muss nicht mehr sein. Auch für unterschiedlich schnelle Lerner bieten online bereitgestellte Aufgaben die Vorteil, in der eigenen Geschwindigkeit zu lernen.
Durch Soziale Medien brauchen die Kooperativen Lernformen (Nr. 7) nicht mehr nur auf den Klassenraum beschränkt bleiben. Die Diskussion von Inhalten ist durch die Tools der Sozialen Medien von überall aus möglich. Sie bieten eine gute Ergänzung zu der Arbeit im Klassenraum. Auch die Möglichkeit, gemeinsam online Dokumente zu erstellen oder Referate und Präsentationen anzufertigen, bietet neue kreative Wege (z.B. die gemeinsame Erstellung eines Prezis).
Im Sinne der Idee, dass Wissen immer wieder neu in den Lernenden konstruiert wird, bieten Wikis eine gute Möglichkeit, gemeinsam Wissen zu erstellen.
Ich sehe in den digitalen und online Tools viele kreative Möglichkeiten, das Lernen im Klassenraum zu erweitern und zu vertiefen. Die reale Begegnung von Mensch zu Mensch in der Schule sollte es jedoch nicht ersetzen. Die Nutzung von analogen oder/und digitalen Mitteln hängt immer von dem didaktischen Ziel ab.
Und ab jetzt stellt sich erst die Frage, welches Tool es denn sein soll: Ich Facebook für das Erreichen der Ziele sinnvoll. Vielleicht, wenn man nichts anderes hat. Die Verquickung von privaten und schulischen Dingen bei Facebook halte ich nicht für gut. Deshalb habe ich mir bei Facebook für schulische Dinge auch einen Schulaccount angelegt, in dem nur schulische Dinge verhandelt werden. Aber für das Management des Lernens gibt es sicher bessere Tools. In Hamburg arbeite ich mit Schulcommsy.de. Dieses von der Bildungsbehörde bereitgestellte Portal bietet viele Möglichkeiten. Sicher, es ist nicht so leicht zu Handhaben wie facebook und das Design fällt auch deutlich einfacher aus. Aber die o.g. Probleme, die bei einer schulischen Nutzung von facebook auftreten, habe ich hier nicht.
Es wäre dringend an der Zeit, dass in Deutschland und Europa Tools entwickelt werden, die unabhängig von US-amerikanischen Unternehmen sind und die die deutschen (und hoffenlich bald vorhandenen europäischen) Datenschutzrichtlinien beachten.