Donnerstag, dritte Stunde, die Klasse stürmt aus der Pause in den Klassenraum. Gesellschaft steht auf dem Stundenplan. Die ersten Schüler sehen die silbernen MacBooks in der Kiste und stürzen sich darauf. Jeder möchte eines abbekommen. Ich habe 20 Computer mitgebracht, fast für zwei Schüler einen. Sie legen gleich los. Im virtuellen Klassenzimmer anmelden, Klassenraum öffnen.
Es werden sofort die Aufgaben aufgerufen, in dem man ein YouTube Video anschauen kann. Die Aufgabe wird gar nicht erst durchgelesen. Was ist eigentlich das Thema? Was soll man hier eigentlich tun mit dem Video? Was kann man hier lernen? Uninteressant. Hauptsache YouTube schauen. Sie vergessen ganz, dass auch Videos ein „Mittel zum Zweck“ sind, eine Informationsquelle neben dem Buch, dem Atlas und dem in den Lernstunden gesagten.
Ich gehe davon aus, dass sich Schüler ihr Wissen selbst konstruieren, sich ein Wissensnetzwerk erarbeiten. Dieses Wissensnetzwerk sollte sich in ihren Aufzeichnungen widerspiegeln. Das, was gelernt und erfahren würde, u.a. durch Anschauen von YouTube Videos, sollte aufgeschrieben werden. Diesen Schritt vollziehen die Schüler von selber noch nicht. Hier bin ich als Lehrperson gefragt. Ich will mit den Schülern darüber sprechen, dass jeder Lernschritt einen Eintrag in das Heft, in das Lerntagebuch braucht. Wie ein Logbuch auf hoher See, in dem die Ereignisse des Tages eingetragen werden.
Auch die Zeitplanung fällt den Schülern noch schwer. Sie verlieren sich im Aufgabenangebot des virtuellen Klassenräume. Ich habe dort die Aufgaben für drei Wochen hinterlegt. Damit kann jeder Lernende in seinem Tempo arbeiten. Aber es gibt eben auch nicht mehr die klassische Einheitsgeschwindigkeit im Lernen. Ich mache als Lehrperson keinen Druck. Das führt leider dazu, dass bei vielen Schülern die Lerngeschwindigkeit deutlich zurückgeht.
Lernen mit digitalen Werkzeugen braucht die Steuerung durch die Lehrperson. Das Informationsangebot ist für viele Schüler sehr komplex. Den Vorteil in der Arbeit mit Videos sehe ich eindeutig in der besseren Anschaulichkeit vieler abstrakter Dinge. Sie passen sich deutlich besser den visuellen Sehgewohnheiten der jungen Menschen an. Aber das gesehen muss nachgearbeitet werden. Nur anschauen reicht nicht, das Gesehene muss auch in die jeweils eigene Wissenskonstruktion überführt werden.
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