Klausuren am Computer 2

Ich habe hier vor zwei Wochen berichtet, dass ich eine Politikklausur in der 12. Klasse versuchsweise am Computer schreiben lies. Es war möglich, das Internet und damit auch unser Klassenwiki, in dem die Schüler die Lerninhalte der Einheiten sammeln. Ihnen stand also die gesamte Unterstützungspalette des Internets zur Verfügung. Die Klausur war von der Aufgabenstellung her nicht auf Wissenswiedergabe hin ausgelegt, sondern es waren die Kompetenzbereiche:

  • einen Text mit eigenen Worten strukturiert zusammenfassen
  • Eine pluralistische Demokratietheorie (Text von Karl Popper) mit einer klassischen Theorie (Rousseau) vergleichen
  • Eine Stellungnahme zu den Vorschlägen Poppers, in wie weit sie geeignet sind, das Problem der geringen Wahlbeteiligung zu lösen.

Bei dieser Aufgabenstellung findet man natürlich keine direkt anwendbare Wissensbausteine, die man kopieren könnte. So war sicherlich die Zugriffsmöglichkeit auf das klasseneigene Wiki inhaltlich die größte Hilfe.

Ich habe jetzt die Schüler mit einem Fragebogen zu ihrem Eindruck dieser Form der Leistungsüberprüfung befragt. Überraschend war, dass die Gesamteinschätzung sehr verteilt war, von „super“ bis „mangelhaft“. Die Hälfte der befragten SchülerInnen (von 18) gab dem Vorhaben die Note „befriedigend“. Hier die Ergebnisse im einzelnen:

Wie bewertest du insgesamt die Möglichkeit, Klausuren mit dem Computer zu schreiben? 1 2 3 4 5 6

2 4 9 2 1

Deutlich positiver wurde die Möglichkeit bewertet, im Klassenwiki zu recherchieren. Einige SchülerInnen meinten, sie würden bei Texten am Computer schneller den Überblick verlieren. Ich hätte eigentlich das Gegenteil vermutet, da ein nachträgliches Umstrukturieren möglich ist, ohne wie in handschriftlichen Texten wild zu streichen und mit Anhängen zu arbeiten. Nur 9 SchülerInnen (50%) haben von dieser Umstrukturierungsmöglichkeit gebrauch gemacht.

Auch bei der Frage, ob das Schreiben mit Tastatur leichter ist als mit der Hand, ist die Meinung zweigeteilt. 7 sagten ja, 6 nein, den anderen bedeutete es keinen Unterschied.

Für mich war überraschend, dass trotz Rechtschreibkorrektur und Grammatikhilfe von WORD die Hälfte der SchülerInnen eine schlechte Rechtschreibleistung gezeigt haben. Es waren die gleichen, die auch sonst große Probleme mit der Rechtschreibung haben. Es macht mich etwas ratlos, wenn dabei nicht einmal die Rechtschreibkorrektur hilft. Es haben auch nur 10 SchülerInnen gesagt, dass ihnen die Rechtschreibkorrektur geholfen hat.

Klausuren mit Internetzugang bieten ja auch die Möglichkeit, gezielt Spickzettel zu deponieren und die Klausurvorbereitung dabei zu benutzen. Dabei stellt sich natürlich die Frage nach der Gerechtigkeit (ich glaube zwar, dass wir in der Schule immer eine Scheingerechtigkeit produzieren, aber das ist eine andere Frage). Aber immerhin 6 SchülerInnen (33%) finden das ungerecht.

Für mich ergibt die Schülerbefragung ein gemischtes Ergebnis. Klausuren am Computer mit Internetunterstützung wären nicht der große didaktische Wurf, man müsste den Mehrwert noch mal genauer erforschen. Ich sehe auch die Gefahr, dass sich die Schüler dann weniger auf Klausuren vorbereiten und lernen, weil die Internetmöglichkeit ja suggeriert, man könne alles während der Arbeit nachlesen.

Voraussetzung für ein erfolgreiches Klausurenschreiben am Computer ist sicherlich die Fähigkeit, mit 10 Fingern tippen zu können. Ich denke, das sollte zum Kanon der von der Schule zu vermittelnden Kulturtechniken gehören, um in einer digitalen Gesellschaft gut klarzukommen.

5 Gedanken zu “Klausuren am Computer 2

  1. Dass die Schülerinnen trotz WORD-Rechtschreibhilfe im Bereich der Orthografie noch viele Fehler machen, ist leicht an einem Beispiel aus Deinem eigenen Text erklärbar. Du schreibst im ersten Satz:

    „Ich habe hier vor zwei Wochen berichtet, dass ich eine Politikklausur in der 12. Klasse versuchsweise am Computer schreiben lies.“

    Und hier ist „lies“ natürlich falsch. Es muss „ließ“ heißen. „Lies“ ist aber auch der Imperativ Singular von „lesen“, so dass WORD keinen Verstoß gegen die Orthografie meldet. Und so wie Dir geht es Schülern eben auch.

  2. oh…und im zweiten „Satz“:

    “ Es war möglich, das Internet und damit auch unser Klassenwiki, in dem die Schüler die Lerninhalte der Einheiten sammeln. “

    stimmt der Satzbau nicht. Auch das erkennt WORD nicht 😉

  3. Ich habe in anderen Kontexten ähnliche Erfahrungen gemacht. Dinge, die ich als klare Vorteile ansehen würde (z.B. umstrukturieren), werden nicht genutzt oder es wird bemängelt, dass man da ja gar nicht zeigen kann, dass man was gelernt hat und damit faule Schüler besser wegkommen als fleißige.

    Ich denke, das hat viel mit der Sozialisation im System Schule zu tun. Die fleißigen Schüler möchten sich klar von „faulen“ abheben, sie möchten ihren Fleiß und ggf. ihre Intelligenz in Noten belohnt sehen. Und sie haben über die Jahre Strategien entwickelt, die das mehr oder weniger sicher stellen.

    Wenn wir nun mit neuen Formen der Leistungsübeprüfung kommen, funktionieren die Strategien evtl. nicht mehr und viele reagieren dann verschnupft. Die Karten werden neu gemischt – nicht nur in dem benannten, auch in anderen Kontexten. Das mögen die meisten Schüler meiner Erfahrung nach nicht.

    • Sind vielleicht neue Formen der Leistungsüberprüfung auch ein Mittel, die Lernkultur in der Schule zu verändern? Muss man vielleicht nicht sogar von den Leistungsüberprüfungen, also von hinten her, denken?
      Ich kann feststellen, dass Schüler genauso konservativ sind wie Lehrer: Unbekanntes wird oft als Bedrohung empfunden. Es ist ja auch nicht verwunderlich, ein Schüler in der 12. Klasse hat ja auch schon 12 Jahre Schulsystem durchlaufen und wurden in diesem sozialisiert.
      Wenn wir anerkennen, dass wir in einer digitalten Gesellschaft leben, wird sich auch das Lernen verändern. Aber auch wenn man denkt, dass die Schüler in der Anwendung digitaler Kommunikationsmöglichkeiten weiter seinen als Erwachsene (was ich nicht glaube), bleibt der Hang zum Rückgriff auf das Bekannte, wo man sich sicher fühlt. Da werden dann die Chancen eher nicht angenommen, sondern als Bedrohung empfunden.

      • Ich denke, dass siehst Du absolut richtig. Ich würde sogar sagen, dass man auf jeden Fall die Veränderung der Lernkultur »von hinten«, also von den Prüfungen her denken muss. So, wie geprüft wird, wird unterrichtet und gelernt, auf das Ziel der Prüfung strebt (fast) alles hin.

        Daher ist es auch so schwer, als einzelner Lehrer hin und wieder Dinge anders zu machen: Wenn diese »zu radikal« sind, bekommt man Widerstand – von Schülern und Eltern, weil sie ihre routinierten »Leistungserreichungsmuster« bedroht sehen.

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