Ein ganzes Kollegium erstellt Lernumgebungen in Moodle

Der Dienstag nach dem Reformationstag in Hamburg. An der Reformschule Winterhude trifft sich das ganze Kollegium in der Aula, um gemeinsam Unterrichtsvorbereitung zu machen. Der Rahmen ist eine Ganztagskonferenz.

Dabei ist diese Unterrichtsvorbereitung etwas besonderes: Das Kollegium hat sich verabredet, Lernumgebungen in dem Lern-Management-System (LMS) Moodle zu erstellen. Dabei ist der Begriff „Lernumgebung“ neu. Der Begriff ist aus der Diskussion um Digitales Lernen entstanden und meint die digitale Bereitstellung aller Ressourcen für die Bearbeitung eines Themas oder einer Lerneinheit.

In der klassischen Schule war der Lehrende der Hüter der Lerneinheit, er/sie führte die Schüler*innen durch eine meist lineare Vergabe von Aufgaben durch die Einheit. An der Winterhuder Reformschule (WiR) wird schon seit Jahrzehnten in sog. Bausteinen gelernt, mit denen sich die Lernenden im eigenen Tempo und Auswahl der Aufgaben durch die Lerneinheit bewegen konnten. Meist waren diese Bausteine eine zusammengeheftete Sammlung von Arbeitsblättern, die nacheinander abgearbeitet wurden.

Die Digitalisierung brachte ganz neue Möglichkeiten. Gepusht durch die Pandemie, hat sich die WiR konsequent auf das Lernen mit digitalen Ressourcen umgestellt. 90% aller Schülerinnen und alle KollegInnen haben iPads, das Schul-WLAN ist für alle zugänglich. Alle in der Schule haben eine eigene Email-Adresse, für die Kommunikation nutzen wir iServ. Es fehlte noch eine passende digitale Lernplattform, das in der Anfangszeit der Corona-Pandemie genutzte Microsoft-Teams wurde vom Datenschutzbeauftragten verboten.

Vor einem Jahr einigte sich die Schulgemeinschaft, die Open-Source-Software Moodle als Lernplattform zu nutzen. Ein Jahr verging mit Skepsis, vorsichtigen Herantasten, Begeisterung bei einigen Kolleg*innen und auch grundsätzliche Debatten, ob wir nicht wichtigere Probleme lösen müssten. Jetzt nach dem Reformationstag war die Zeit reif, sich gemeinsam an die Arbeit zu machen. Die Aula wurde neben dem Plenum zu einem Co-Working-Space. Das Support-Team lief in gelben Westen umher, um schnell technische Tipps zu geben.

Die Vorerfahrungen mit Lernplattformen und digitalen Tools ist im Kollegium (wie wahrscheinlich in allen Schulen) sehr unterschiedlich. Trotzdem ist es an diesem Tag gelungen, ein Gefühl des „wir arbeiten alle zusammen an Lernumgebungen“ für unsere Schüler*innen. Schon die Vorbereitung und die Konferenzplanung lief über Moodle. In Austausch- und Wertschätzungsrunden wurde sich gegenseitig über das Geschaffte berichtet. Für einige Kolleg*innen war es der erste Kontakt mit Moodle, andere haben ihre schon vorhandenen Lernumgebungen verfeinert und die schier unerschöpflichen Möglichkeiten weiter ausgelotet.

In der Unterrichtspraxis läuft natürlich nicht gleich alles rund: Aber ist aus meiner Sicht auch ein wichtiges Signal an die Schülerinnen, dass auch die Lehrerinnen Lerner sind, die sich in die neuen Möglichkeiten digitaler Ressourcen einarbeiten.

In den Lernumgebungen im Moodle werden zwar alle Lernaufgaben und Aktivitäten bereitgestellt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Lernenden nur alleine vor dem Gerät sitzen. Die Organisation der Beziehungen und Beratungen im Lernprozess ist jetzt die zentrale Aufgabe der Lehrer*innen geworden.

So hat uns der Reformationstag auch einen weiteren Schritt in der reformpädagogischen Entwicklung an der Reformschule Winterhude gebracht. Es werden noch viele weitere notwendig sein. Wir sind guten Mutes.

Start in den Hybridunterricht: Es geht doch.

Heute, Mittwoch der 15.12.2020, gehen wir in den Schullockdown. Anders als in anderen Bundesländern bleiben die Schulen in Hamburg offen. Die Präsenzpflicht wird ausgesetzt. Endlich haben wir die Möglichkeit, hybrid den Unterricht zu gestalten.

Heute Mittwoch, 8.30 Uhr. Ich öffne den Video-Konferenzraum für die Werkstatt Licht in den Jahrgängen 8-10 an der Winterhuder Reformschule. Es sind schon zwei Schüler vor mir da. Okay, einer erzählt, er liege noch im Bett. Aber hat sein iPad vor der Nase und ist bereit. Eine kurze Blitzlichtrunde ergibt, dass alle guter Dinge sind und positiv in den Fernunterricht gehen. Keiner hat Bedenken.

Also muss ich die Bande aus dem Bett holen. Auftrag: Sammelt farbige Gegenstände in eurem Zimmer und sortiert sie in der Reihenfolge des Farbspektrums. Macht ein Foto und ladet es auf unserer Flinga-Whitewall. 20 Minuten Zeit.

Das Farbspektrum

Die ersten sind nach 10 Minuten fertig, es gibt kreative Ergebnisse zu bestaunen. „Wie komme ich in die Flinga-Wall?“ Ich muss nichts sagen, sofort ist ein Mitschüler da und gibt den entscheidenden Tipp. Alles findet sich auf unserem Kurs-Padlet.

Das Padlet

Dann arbeiten die Schüler_innen selbstständig in ihren Werkstatt-Tagebüchern an ihren Themen. Die Werkstatt bietet freie Lernangebote, bei der sie selbst Schwerpunkte setzen können. Nach 45 Minuten sollen sie ihre beste Aufgabe, die sie bisher zum Thema Licht bearbeitet haben, als Mini-Portfolio abgeben. Dazu fotografieren sie entweder als Screenshot aus ihrem iPad oder als Foto aus ihrem Papier-Heft ihre Arbeit ab und laden sie im Aufgaben-Tool in MS-Teams hoch.

offene Arbeitsmöglichkeiten in der Werkstatt Natur

Die letzten 10 Minuten gehören dem Feedback und den Wünschen für schöne Weihnachtsferien.

Aber auch: vier Schüler waren nicht da. Ich habe die Klassenleitungen angeschrieben, ob sie etwas gehört haben, ob sie krank sind oder anderes. Wir lassen keinen zurück.

Mich stört, dass immer wieder von „Lernrückständen“ im Zusammenhang von hybridem Lernen gesprochen wird. Dieser Begriff suggeriert das Ideal, dass alle Schüler_innen „auf den gleichen Stand gebracht“ werden müssen. Wir wissen aber doch durch die Lernforschung, dass Lernen ein sehr individueller, manchmal chaotischer und nicht linearer Vorgang ist. Wir Lehrenden haben die Aufgabe, möglichst günstige, vielfältige Lernmöglichkeiten zu schaffen. Die Idealisierung des Präsenzunterrichts, in proppenvollen Klassen, in lärmenden Umgebungen, dann noch mit Masken, sind alles andere als eine ideale Lernumgebung. Das heißt nicht, das Präsenz nicht wichtig ist. Doch wir sollten vielfältig, flexibel, eben agil die Umgebung gestalten.

Projekte in Zeiten des geteilten Lernens

Seit Anfang Mai sind die Schüler_innen wieder in der Schule in Hamburg. An der Oberstufe haben wir zwei Gruppen gebildet, die in vierzehntägigem Wechsel in den Schule kommen. Eine Gruppe macht Präsenzunterricht, die andere Fernunterricht. Wobei ich lieber von Lernen spreche, weil das ein aktiver Prozess ist.

Trotz dieser eingeschränkten Rahmenbedingungen wollte ich das geplante Projekt PPP (project planet protection) durchführen. Die Projektbeschreibung findet ihr in meinem vorletzten Beitrag. Ziel des Projektes ist es, konkrete kreative Lösungsmöglichkeiten für globale ökologische Probleme zu finden. Wir steuern jetzt auf die Zielgerade nach fünf Wochen zu.

Folgende Teams und Themen haben sich gefunden:

  • Regenwaldfeuer beenden
  • Desertifikation stoppen
  • Die Wüste bewässern?
  • Das Korallensterben stoppen
  • Die Umweltbedingungen im Hochgebirge verbessern (Nepal)
  • Mikroplastik im Meer verhindern
  • Mikroplastik in der Luft verringern

Meine Ziele waren:

  • Projektarbeit trotz geteilter Klassen durchführen
  • Teamarbeit ermöglichen, auch wenn nicht alle im Raum sind
  • Kreativität fordern statt nur Abarbeiten von Aufgaben
  • Eine Präsentationsform für die Ergebnisse finden

Das Projekt habe ich mit MeisterTask gesteuert. Ich habe ein Projekt angelegt, in dem ich die Aufgaben und Informationen für alle Teams zusammengestellt habe:

Dieses Board dient jedoch nur als Vorlage. Jedes Team sollte sich ein eigenes Board anlegen. Dazu konnten sich die Teams die Karten aus dem Vorlage-Board heraus kopieren und in ihr Board einfügen.

Die Projekte der einzelnen Teams in der Boardübersicht

Das Projekt habe ich nach agilen Prinzipien angelegt:

  • Es gibt eine User-Story, die die Anforderungen an das Projekt festlegt (s.u.)
  • Die Arbeit ist in Sprints organisiert, die jeweils eine Woche dauern
  • jede Aufgabe wird durch eine Karte definiert und einer Person zugeordnet
  • Der Sprint beginnt mit einem Sprint-Planning
  • Während des Sprints findet ein Stand-Up-Meeting statt
  • Am Ende des Sprints gibt es ein Sprint-Review.

Diese Arbeitsschritte müssen dokumentiert sein.

User-Story

Die User-Story habe ich mit dem digitalen Whiteboard flinga.fi erstellt:

User Story auf dem Whiteboard

Meine bisherigen Erfahrungen:

  • Sobald die Schüler_innen zurück im Präsenzlernen sind, fallen sie auch Wieder in typisches schulisches Verhalten: Sie erwarten vom Lehrer Aufgaben, bearbeiten diese und geben sie dann wieder ab
  • ein komplexeres Arbeiten mit selbsterstellten Aufgaben fällt den Schüler_innen sehr schwer
  • Das Einlassen auf eine feste Struktur (Sprints, eigenes Board usw.) ist ungewohnt. Sie sind es gewöhnt, die Struktur von den Lehrenden vorgegeben zu bekommen
  • Die Nutzung digitaler Tools bleibt fast nur auf Whats-App beschränkt. Die flexible Nutzung verschiedener Tools stößt auf Widerstand.

Projektpräsentation

Ursprünglich wollte ich eine Projektpräsentation mit einem Info-Stand in der Fußgängerzone machen. Das ist in der derzeitigen Situation unrealistisch. Da bleibt dann nur wieder die digitale Präsentation. Gerade an diesem Punkt hätte ich eine direkte Kommunikation mit anderen Menschen sinnvoll gefunden. Digitale Präsentationen haben immer eine große Distanz.

Präsenz-Lernen und Heim-Lernen zusammen führen

Seit einer Woche arbeite ich mit der Hälfte meiner Klasse zusammen in einem Raum in der Schule. Die andere Hälfte sitzt zu Hause an ihren Aufgaben. In der nächsten Woche werde ich die zweite Gruppe in der Schule begrüßen können, die erste bleibt dann zu Hause. Schule in Corona-Zeiten. 

Das hört sich nach der klassischen Struktur des Unterrichts seit Jahrzehnten an: Im Unterricht werden Inhalte erklärt, nachgefragt, diskutiert, dann geht es mit Hausaufgaben nach Hause, die die Schüler_innen dann an ihrem heimischen Schreibtisch bearbeiten. Sie kommen damit dann in die nächste Stunde, die damit beginnt, dass Hausaufgaben vorgelesen werden (einer spricht, alles schläft). 

Ist das nach den sechs Wochen Erfahrung im digital unterstützten Fernlernen noch zeitgemäß? 

Ich überlege, wie man Präsenz-Lernen und Heim-Lernen zusammenführen kann. Wir sollten doch die Erfahrungen, die wir die letzten Wochen gemacht haben, nicht einfach wieder ablegen, und zu der alten Schule zurückkehren. Mal einen kurzen Überblick über diese Erfahrungen: 

  • die jungen Leute haben ganz viele Selbstorganisation-Erfahrungen gemacht
  • sie haben den Wert von direkter, analoger, unmittelbarer Kommunikation gespürt. Es ist etwas schönes, in die Schule zu gehen und die Lehrenden und Mitschüler zu treffen. 
  • Es gibt eine große Gruppe von Schüler_innen, die mangels Endgeräte vom Lernen abgekoppelt sind.
  • Es gibt eine weitere große Gruppe, die aufgrund mangelnder Selbstorganisation oder familiärer Unterstützung nicht die Aufgaben der Schule nicht bearbeiten konnten. 

Die Zusammenführung von Präsenz- und Heim-Lernen, so meine Idealvorstellung, baut aufeinander auf. Jede Gruppe gibt ihre Ergebnisse weiter und veröffentlicht diese in den entsprechenden Tools. Damit wird gemeinsam an den Themen und Aufgaben gearbeitet, jedoch nicht synchron wie im normalen Unterricht, sondern asynchron. 

Nach einer Woche kann ich folgendes sagen: 

  • Ich gebe jeden Morgen um 9.00 einen Morgengruß an alle Schüler über das Forum heraus, wo ich den Stand der Arbeit beschreibe 
  • Ich gebe jeden Morgen eine Tages-Denk-Aufgabe, zu der die Schüler Stellung nehmen sollen (im Forum für die Heim-Schüler und in der Schule für die Präsenz-Schüler) 
  • Die Lernaufgaben werden über MeisterTask organisiert. 
  • Die Präsenzgruppe legt vor, die Ergebnisse werden auf Flipcharts geschrieben und abfotografiert 
  • Die Präsenz-Gruppe legt den Schwerpunkt auf das gemeinsame Besprechen
  • Die Heim-Gruppe hat ihren Schwerpunkt im Bearbeiten der Aufgaben. 
  • In der zweiten Woche dreht sich der Schwerpunkt um, wobei die zweite Präsenzgruppe von der Vorarbeit profitiert. 
  • Meine Inputs nehme ich mit explain everything auf und stelle sie zur Verfügung. Dabei nutze ich die Ergebnisse der ersten Präsenzgruppe. 

In der kommenden Woche werden wir auch eine Präsentationsleistung von einem Schüler aus der Heim-Gruppe bekommen, die wir gemeinsam, in der Schule und zu Hause anschauen werden. 

Mein Fazit bisher: 

Ich muss gut koordinieren! 

Ich muss die Aufgabenkarten und die Ergebnisssicherungen schnell auf den neuesten Stand halten. 

Ich muss gut den Überblick halten. 

Es ist schon einiges an Arbeit, aber vielleicht, weil ich es noch nicht gewohnt bin, in zwei Ebenen zu denken. 

Portfolios als Lernnachweis

Schlagartig sind sie weg, die Schülerinnen und Schüler. Kein Hausaufgabenvergleich, keine Arbeitsblätter, die ausgefüllt werden können.

Da bietet sich das Portfolio als Lernnachweis an. Ein Portfolio ist erstmal eine Sammlung von eignen Arbeiten. Meist wird zwischen

  • Lernportfolio
  • Bewertungsportfolio
  • Präsentationsportfolio

unterschieden. Das Lernportfolio ist die mehr oder weniger geordnete Sammlung der Lernaufgaben. Man könnte auch sagen, eine gut sortierte Mappe.

Das Bewertungsportfolio ist eine Auswahl aus dem Lernportfolio, die besonders gelungene Aufgaben zeigt, die Grundlage einer Bewertung werden sollen. Dabei müssen verschiedene Kompetenzen und Aufgabenformate gezeigt werden. Das sollte man mit dem Lehrenden absprechen.

Das Präsentationsportfolio sind besondere gute Leistungen, die bei Lernentwicklungsgesprächen, für Ausstellungen oder Blog-Veröffentlichungen oder anderen besonderen Anlässen gezeigt werden.

Das Bewertungsportfolio setze ich gerade jetzt im homeschooling gerne ein, damit die Lernenden ihre eigene Auswahl von Aufgaben zeigen können. Die Aufgaben bekommen sie in einem Forschungsplaner (siehe Anlage), den sie im eigenen Tempo bearbeiten. Aus ihren Aufgaben im Lernportfolio wählen sie dann die Aufgaben aus, die sie im Bewertungsportfolio vorlegen wollen. Dabei müssen sie mehrere (z.B. drei) verschiedene Aufgabentypen zeigen. Das kann z.B. ein langer Text, eine eigene Zeichnung und ein Versuchsprotokoll sein.

Gegen das Portfolio wird oft eingewendet, dass es soviel Zeit kostet, es zu bewerten. Dazu habe ich ein Raster entwickelt, in dem Rückmelde-Textbausteine stehen,  die einer Bewertungskategorie zugeordnet sind. Die zutreffenden Textbausteine färbe ich dann ein. Aus den eingefärbten Passagen ergibt dann ein grafisches Bewertungsprofil (siehe Anlage).

Wichtig bei der Bewertung von Portfolios ist der Schwerpunkt auf die Reflexion der eigenen Arbeit. Wir wissen aus der Schulforschung, dass die Reflexion und die Metaebene sehr wichtig für den Lernerfolg ist.

Portfolios können sehr schön zu Hause gemacht werden. Dabei fotografieren die Schüler_innen die Passagen aus ihrem Heft ab und fügen sie in eine Textdatei ein. Das Foto wird dann mit einer Einleitung und einem Schlusskommentar versehen. Fehlendes wird ergänzt. Am Ende des Portfolios wird die Gesamtreflexion geschrieben. Die Schüler_innen geben das Portfolio als pdf-Dokument bei mir ab, am besten in einem Aufgabentool.

Zeitgemäßes Lernen in der Praxis

Das „Guten Morgen“ kommt erst nach zehn Minuten. Manchmal dauert es auch 15 Minuten, bis alle arbeitsbereit sind. In dieser Zeit schalte ich Beamer und Computer an, stelle die Ablagekörbe mit den Tischblättern und den Versuchsbeschreibungen auf den Tisch, pinne die Listen mit den erledigten Aufgaben sowie die Feedbackbögen zu mündlicher Mitarbeit und zur Selbststeuerung des Lernens mit Magneten an die Tafel. Zwischendurch schaue ich in die Liste, wer heute als Assistenten fungieren soll. Sie müssen die Physikbücher, die Tischblätter (1), die Experimentierkästen auf die Gruppentische bringen.

Als der Beamer und der Computer hochgefahren ist, bringe ich den Forschungsplan und den Kursordner in IServ (2) auf die Leinwand. Das Foto des Tafelbildes der letzten Stunde muss ich ebenso noch aufrufen. Ganz nach vorne kommen allerdings zwei banale Sätze: „Was hast du in der letzten Stunde geschafft? Was willst du heute machen?“

Mitten im Organisieren beantworte ich noch Schülerfragen, erkundige mich nach dem Wochenende und stelle die entscheidende Frage: „Worauf wartest du? Willst du nicht mal dein Forschungstagebuch auspacken und aufschlagen?“ Ach ja, da war ja was. Die Stunde beginnt, wenn wir den Physikraum betreten, und nicht erst, wenn ich als Lehrer „Guten Morgen“ sage.

Das Lernen wieder zurück in die Verantwortung der Lernenden geben, ist eine meiner Hauptziele eines zeitgemäßen Lernens. Sie müssen selbst die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, selbst für das eigene Lernen verantwortlich zu sein. Wie soll sonst lebenslanges Lernen möglich sein, wenn nicht mehr ein Lehrer den Takt vorgibt. Nach zehn Jahren Belehrung kein leichtes Unterfangen. Über Jahre sind die Schüler darauf konditioniert worden, das zu tun, was der Lehrende von ihnen verlangt, und zwar in einer unmittelbaren Form für alle: “ Alle schlagen jetzt mal die Seite 275 auf und lesen den Text durch“. Da kann man praktischerweise auch mal bei Tischnachbarn nachfragen. Aber was, wenn später im Leben der Tischnachbar und der Lehrer nicht da ist, weil man sich in einem Onlinekurs selber fortbilden muss?

Deshalb ist meine Hauptmaxime: Das Lernen an die Schüler zurückgeben. Und die zweite Maxime ist: Lass sie nicht alleine.

Die ersten haben immerhin das Lerntagebuch aufgeschlagen und das Datum eingetragen. Wenige haben aufgeschrieben, was sie heute machen wollen. Dafür musste ich sie auf die Checkliste in ihrem Forschungsplan oder auf die Klassenliste an der Tafel hinweisen, auf der der Arbeitsfortschritt vermerkt ist. Jetzt kann ich „Guten Morgen“ sagen. Ich kann zur Einleitung etwas zu unserem Lernstand sagen und mache meistens einen kleinen Input zum aktuellen Thema.

Dann geht das Arbeiten in den einzelnen Tischgruppen los. Die Aufgaben haben die Schüler schon am Anfang des Schuljahres in einem Forschungsplan (3) bekommen. In ihm stehen alle Aufgaben drin, Hinweise zu den Arbeitsformen, Links ins Internet, Hinweise zur Führung des Lerntagebuchs und das Bewertungsraster.

Nur mit dem Lesen tun sich die Schüler schwer. Es ist ja bequemer, wenn sie vom Lehrer direkt instruiert werden. Aber den Gefallen tue ich ihnen nicht. Bei Fragen verweise ich entweder auf den Forschungsplan, weise auf die Buchseiten oder einfach an das Nachdenken. Wer nicht beim Vortrag zugehört hat, kann ein YouTube-Video von mir oder Kollegen anschauen. Das ist nicht beliebt bei den Schülern. Es ist ja viel einfacher, alles in kleinen Häppchen von den Lehrenden präsentiert zu bekommen. Deshalb ist zeitgemäßes Lernen, das auf eigenständiges Handeln, Selbstverantwortung, autonome Wahl der Lernformen, eigenverantwortliches Nutzen des Internets und Problemlösen setzt, auch anstrengend.

Der zentrale Lernnachweis ist das Lerntagebuch. Hier werden alle Aktivitäten des Schülers eingetragen. Es ist höchst individuell. Nur was selbst geschrieben oder gezeichnet wurde, möchte ich sehen. Keine Arbeitsblätter, keine Kopien, keine Lückentexte. Das Lerntagebuch soll aber auch die unterschiedlichen Lernformate widerspiegeln: Zeichnungen, (längere) Texte, Versuchsprotokolle, Tabellen, Grafiken, Messungen, Merksätze, Berechnungen. Jede Woche soll durch einen Eintrag dokumentiert werden. Alle Einträge bekommen eine Einleitung und einen Kommentar mit einem reflexiven Blick.

Bei den traditionellen Tests darf das Lerntagebuch zum Nachschlagen benutzt werden. Dafür sind doch eigentlich Aufzeichnungen da: Wenn man Probleme lösen soll (wie in einem Test), schaut man in seine Notizen. Ich weiß, dass das im Widerspruch zur Überprüfungskultur der meisten Schulen steht. Aber die Veränderung der Überprüfungsformate ist eine wichtige Bedingung für das zeitgemäße Lernen in Zeiten der Digitalität.

Währenddessen gehe ich von Tisch zu Tisch und helfe bei auftretenden Fragen: Wie bedient man das Vielfachmessgerät, wie wird das Amperemeter in den Stromkreis eingebaut, welche Skala brauche ich zum Ablesen. Ich habe Zeit, mit den einzelnen Schülern zu sprechen. Ich merke, dass vom Input am Anfang der Stunde wenig hängen geblieben ist. Auch im Lösen von Problemen sind die Schüler wenig geübt. Sie erwarten von mir sofort die Lösung. Mein Spruch in diesen Situationen: „Ich bin Lehrer und kein Vorsager“; und erläutere ihnen, dass ich sie zum eigenen Denken anregen möchte. „Mach mir einen Lösungsvorschlag, und ich sage dir, ob du auf dem richtigen Weg bist“.

Alle Dokumente habe ich in einem Ordner in unserer Kommunikationsplattform IServ gespeichert. Dort finden sich die Forschungsplan, Fotos von Tafelbildern, Übungstests und Links zu Videos und Leifiphysik. Die Handys gehören auf den Tisch, mit dem Display nach unten. Vom Klingeln zum Klingeln ist das Nutzen der Handys für unterrichtliche Zwecke erlaubt. Dazu gehört Instagram und Whatsapp nicht. Diese Regelung basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Die Schüler fotografieren sich die Versuchsaufbauten ab, um sie in der nächsten Stunde wieder rekonstruieren zu können. Auf jedem Gruppentisch steht ein Macbook, um weitere Infoquellen zu nutzen. An der Wand hängen die QR-Codes der Internetlinks.

Ich gebe den Schülern die Möglichkeit, mit Handy und Macbook zu arbeiten. Die ersten bringen ihre eigenen Tablets mit. Ist das jetzt Digitales Lernen? Das Lerntagebuch wird (noch) mit der Hand geschrieben, ein Schulbuch aus Papier dient zum Nachschlagen. Ein Zeitgemäßes Lernen erweitert die Möglichkeiten der Lernenden im eigenen Handeln. Es gibt ihnen Instrumente an die Hand, ihr Tun selbstständig planen und umsetzen zu können. Dazu gibt es viele internetbasierte Tools, die die Erreichung dieses Zieles erleichtern. Ein zeitgemäßes Lernen verringert die Abhängigkeit vom Lernen und weist somit auch in die Richtung einer Demokratisierung des Lernens. Dazu sind digitale Tools hilfreich, aber sie sind nicht Selbstzweck.

Trotzdem trifft das Lernkonzept bei den Schülern nicht nur auf Gegenliebe. Selbstständiges Lernen ist anstrengend, man muss ja selbst Verantwortung übernehmen.

(1) Tischblätter sind Kopien, die zur Ansicht auf den Gruppentischen liegen. Sie sind mit einem T markiert und werden am Ende der Stunde wieder eingesammelt. Sie verhindern das massenhafte Kopieren und sinnlose Mappenfüllen.

(2) Wir benutzen an unserer Schule die Kommunikationsplattform IServ. Sie ist keine Lernplattform. Hier können nur Ordner gefüllt werden, auf die die Schüler Zugriff haben. Die Schüler haben auch eine eigene Ablagemöglichkeit.

(3) Forschungsplan: Elektrik 10 Forschungsplan 19

Lernen organisieren mit MeisterTask

Am Anfang des Schuljahres war die von mir in meinen Lerngruppen benutzte Lernplattform abhanden gekommen. Die Schule unterstützte die Nutzung nicht mehr. Ich war dadurch auf der Suche nach etwas neuem.

Für ein zeitgemäßes Lernen braucht man aus meiner Sicht eine Lernplattform, auf der man das Lernen für die Lerngruppe organisiert, auf die alle Lernende zugreifen können und einen individuellen Zugang zum Lernen bietet. Sie sollte mehr sein als eine einfache Dateiablage. An meiner Schule arbeiten wir mir iServ, was eine gute Kommunikation und eine Dateiablage bietet. Aber zu einer Lernplattform eignet sich eigentlich nicht.

Vor einigen Jahren habe ich einen Schülerkongress mit Trello organisiert, die Schüler_innen haben die Projektplattform gut angenommen und selbstständig ihr Projekt organisiert (siehe Beitrag von mir weiter unten). Doch Trello steht in den USA und entzieht sich dem europäischen Datenschutzrecht. Ich bin auf MeisterTask gestoßen, ebenfalls ein Projektplanungtool, das seine Server in Frankfurt stehen hat. Also habe ich in meinem Projektkurs in der Klasse 12 MeisterTask ausprobiert.

meistertask

Das Board ist Aufgebaut wie ein SCRUM-Board mit vorgefertigten Spalten offen, in Arbeit und Erledigt. Man eigene weitere Spalten hinzufügen. Jede Aufgabe bekommt eine Karte, auf der die notiert wird. Auf dieser Karte werden dann Beschreibungen, Checklisten und Dokumente hinterlegt, die für die Aufgabe nötig sind.

meistertask Aufgabe.

Nach etwas Eingewöhnung haben die Schüler_innen das Board gut angenommen. Gut ist, dass das Tool eine App hat, mit der man vom Smartphone und iPad arbeiten kann. Alle Lernaktivitäten kann ich jetzt von jedem beliebigen Ort aus vorbereiten und organisieren. Viele Lernende, die mit iPads arbeiten, geben ihre Aufgaben über das Board ab. Dafür habe ich die Spalte Abgabe eingerichtet. Es ist auch sehr wünschenswert, dass alle Lernende sehen, was ihre Mitschüler_innen gemacht haben.

Für die Projektarbeit habe ich weitere Spalten eingerichtet. Jede Projektgruppe hat eine eigene Spalte, in der sie ihre Aufgaben organisiert. Jeder kann alles sehen, und ich kann den Projektfortschritt für jede Gruppe übersehen und über die Kommentarfunktion weitere Tipps geben. In diesem Projekt arbeiten wir an der Untersuchung der Lebensbedingungen in Hamburger Stadtteilen. Bildschirmfoto 2019-09-19 um 16.10.09

Man kann jede Aufgabe einem Lernenden zuordnen. Leider ist die Zuordnung zu mehreren Schüler_innen nicht möglich. Jede_r Nutzer_in hat ein persönliches Board, auf dem er/sie sich die Aufgaben selbst organisieren kann.

MeisterTask ist in der Basisversion kostenlos. Die Pro-Version, die auch eine Teamfunktion enthält, ist dann schon mit 8,25€ pro Monat relativ teuer. Ich arbeite jetzt seit vier Wochen mit MeisterTask und mir scheint es ganz gut geeignet, Lernprojekte in einer Klasse zu organisieren. Wenn ich in den Klassenraum komme, öffne ich zuerst das Board, um in einem Stand up den Stand der Arbeit mit den Schüler_innen zu besprechen.

Ich bin gespannt auf Erfahrungen anderer Anwender.

Mein Arbeitsplatz heute morgen

08.15 am U-Bahnhof. Telefonnummern austauschen, letzte Instruktionen und Fragen, dann gehen sie in Dreiergruppen los ins Projekt. Ich fahre an die Elbphilharmonie und setze mich mit schönem Blick an meinem Arbeitsplatz. Kontakt habe ich mit meinen Schülern nur über das Smartphone. Projekt Hafen.

Die Schüler des Projektkurses Hamburg#Welt haben ihre Fragelisten in der Tasche und ziehen auf ihre Tour, um eigenständig Informationen zu ihrem Thema zu sammeln. Sie gehen selbstständig in die Museen, Polizeidienststellen oder Behörden. Für die meisten ist diese Freiheit ungewohnt, sind sie doch die direkte Instruktion im Unterricht seit Jahren gewohnt. Sie sind ungeübt darin, eigene Entscheidungen zu treffen. Aber genau das ist es, was die jungen Leute der 9. Klasse brauchen: das Gefühl der Autonomie, Möglichkeiten eigener Wahl, Verantwortung für das eigene Tun übernehmen.

Wir haben sechs Teams gebildet. Jedes Team bearbeitet eine Route im Hafen und dokumentiert alles Wichtige auf dieser Strecke und erklärt es für Auswärtige. Dazu hat jedes Team noch ein übergreifendes Thema:

  • Globalisierung
  • Berufe im Hafen
  • Geschichte des Hafens
  • Umweltschutz und Elbvertiefung
  • Container

Ziel ist ein gemeinsames eBook zu erstellen. Es soll sich an einem kleinen Reiseführer orientieren. Die Schüler zeigen alles Sehenswerte auf einer Route im Hafen und erklären darüber hinaus noch ein Thema.

Fachlich stehen die Themen Globalisierung, Welthandel, technologischer Wandel, die klassischen Erdkundethemen, auf der Agenda.

Aber im Vordergrund steht das Arbeiten im Projekt: die Schüler können lernen, ihr eigenes Arbeiten zu organisieren, Selbstständigkeit zu entwickeln. Wir Lehrer beklagen ja oft, dass die Schüler zu unselbständig sind, geben ihnen aber selten Gelegenheit, diese Selbstständigkeit zu entwickeln. Dazu müssen wir aber eigene Gewohnheiten von Effizienz und Strukturiertheit hinten anstellen. Wir müssen es aushalten, dass Schüler nicht so strukturiert und effizient sind, wir ein professioneller Unterricht. Aber genau den Weg der Erfahrung müssen sie ja gehen.

„Erfahrungen machen“ ist eine seltene Kategorie in der schulischen Bildung. Es geht eher um Wissen, Können, manchmal schon um Kompetenzen. Erfahrungen beinhalten auch Umwege, Fehler, Scheitern, Überraschungen, Probleme. Aber auch neue Perspektiven, Erkenntnisse, Selbstwirksamkeit. Erfahrungen sind das, was uns weiterbringt. Bei Bewerbungsgesprächen wird ja meistens nach den Erfahrungen gefragt und nicht nach Wissen.

Trotzdem spielen Erfahrungen im schulischen Lernen noch eine untergeordnete Rolle. Das möchte ich mit dem Projektkurs ändern. Dabei muss ich es selbst aushalten, wenn das Schülerhandeln nicht so effektiv ist wie in einem linearen, kursartigen Unterricht. Ich muss es aushalten, wenn die Schüler_innen ihre Freiheit ausnutzen, um andere Dinge zu machen. Aber die Erfahrung, dann mit den Aufgaben nicht richtig voranzukommen, gehört zu den Erfahrungen auch dazu.

11 Uhr, mein Handy klingelt. Die Gruppe „Umweltschutz“ meldet sich. Der Termin bei der Hamburg Port Authority ist beendet. Eine Stunde lang haben sich die Jungen von einer Ingenieurin über die Landstromanbindung für Kreuzfahrtschiffe und die Elbvertiefung informieren lassen. Im Projekt kommen die Informationen möglichst nicht von mir als Lehrer, sondern von „realen“ Experten. Auch das ist eine ganz neue Erfahrung für die Schüler_innen.

Mit Trello Veranstaltungen mit Schülern organisieren

Dienstag, der 20.6.2017. Ich habe schlecht geschlafen, weil ich Bedenken hatte, ob der „Schülerkongress“, der ab 12 Uhr in der Aula stattfinden sollte, auch klappen würde. Dann die Schrecksekunde um 10 Uhr: Beide Schüler, die für die Moderation und Leitung des Kongresses verantwortlich waren, haben sich krank gemeldet. Um 11 Uhr kommt die Entwarnung: Eine Schülerin, bisher eher still im Unterricht, hat sich selbstständig mit die Moderationskarten besorgt und die Leitung der Veranstaltung übernommen. Steine fielen von meinem Herzen. Vor allem auch der Stein, der daran zweifelte, dass Selbstorganisation in der Schule machbar ist.

Der „Schülerkongress“ an der Stadtteilschule Niendorf war eine der ersten selbstorganisierten Veranstaltungen, die ich mit Schülern durchgeführt habe. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, die Partizipation der jungen Leute am politischen Geschehen zu stärken. Ich wollte Räume inszenieren, in denen sie sich als „wichtig“ und als „gewollt“ und „beachtet“ erleben können.

Selbstorganisiert heißt für Lehrer auch immer: Verantwortung und Kontrolle abgeben – meist gar nicht so leicht für Lehrer, denen die „Kontrolle über den Unterrichtsprozess“ schon im Referendariat eingebleut wird.

Das fängt dann mit der Veränderung der Haltung zum Lernen an. Im Februar habe ich der Klasse den Auftrag gegeben, diesen Schülerkongress zu organisieren. Für die zwei Seminarstunden pro Woche wird die Klasse zu einer Agentur, die diesen Auftrag umsetzt. Ich wollte mich nur noch als Coach einbringen, der Impulse aus meiner Erfahrung mit politischen Veranstaltungen gibt. Es wurden zwei Projektleiter gewählt und erste Verantwortlichkeiten verteilt. Auch räumlich sollte die veränderte Haltung deutlich werden: Die Tische im Klassenraum wurden zu einem langen Konferenztisch zusammengestellt.

Das zentrale Kommunikationstool wurde ein Trello-Board.

trello.com ist ein Internet-Tool, mit dem man kostenlos Projekte und Veranstaltungen organisieren kann. Die Bedienung ist sehr intuitiv und einfach. Die Schüler fanden sich schnell mit der Handhabung zurecht. Alle Informationen wurden im Board gespeichert und waren so für alle jederzeit nutzbar. Es war nicht mehr nötig, E-mails hin und her zuschicken, und zu fragen, „hast du die E-Mail bekommen?“

Die Organisation erfolgt über eine Sachstruktur über Listen, die von links nach rechts aneinander gereiht werden; sowie über die zeitliche Struktur von oben nach unten, in dem in den Listen die Aktivitäten chronologisch abgelegt werden. Meine Aufgabe als Coach war die Erstellung dieser Struktur, die neuen Karten hinzuzufügen. In den Karten haben dann die Schüler ihre Aktivitäten abgelegt: Dateien, Kommentare und Ideen, Checklisten und Fotos waren die wichtigsten Inhalte der Karten. 

Unsere erste Aktivität war das Brainstorming von möglichen Workshop-Themen auf dem Kongress, die Brainstorming-Karten wurden auf dem Boden ausgelegt und ein Foto davon in die Trello-Liste „Workshops“ gestellt. So hatte jeder Zugriff zu den ursprünglichen Planungen.

Unter der Liste „Projektsteuerung“ habe ich für jede Woche eine Checkliste mit Aufgaben für die Projektleiter eingestellt, die diese ergänzt und mit dem „Team“ (= Klasse) abgearbeitet haben. Weitere Listen waren dann die üblichen Aufgabenbereiche einer Veranstaltung: * Teilnehmer und Akkreditierung, * Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation, * Verpflegung, * Technik, * Kommunikation mit Gästen, * Veranstaltungsformen auf dem Kongress (Workshops, Talks, open space), * Auswertung.

Eine zentrale Frage für Lehrer ist immer wieder: Wie bewerte ich dieses „nicht-unterrichtliche“ Lernen? Das tolle Engagement der Schüler nicht zu bewerten, kam für mich nicht in Frage, denn im schulischen System, das auf dauernde Bewertung aufbaut, haben nicht-bewertete Aktivitäten einen geringen Stellenwert. Ich habe eine quantitative und eine qualitative Bewertung durchgeführt. Die quantitative Bewertung erfolgte über die Trello-Liste „Arbeitsnachweise“. Hier stellte ich für jede Vorbereitungswoche eine Karte ein mit der Aufforderung an die Schüler, ihren Beitrag zum Kongress dieser Woche einzutragen. Jeder Eintrag wurde von mir in der Arbeitsliste mit einem „Haken“ dokumentiert. Durch die Trello-Liste konnte ich die Arbeitsnachweise in Ruhe anschauen und „verbuchen“. Die Schüler bekamen die eigene Verantwortung, ihren Beitrag zu dokumentieren. Durch das Trello-Tool ging auch nichts verloren, Ausreden („ich habe mein Heft zu Hause vergessen“) waren nicht mehr möglich.

Für die qualitative Bewertung der Arbeit habe ich ein Kompetenzraster „Engagement im Projekt“ entwickelt.

Hier habe ich versucht, in fünf Stufen das unterschiedliche Engagement zu beschreiben. Ich beobachte meine Schüler während der Vorbereitungsarbeit (welch ein Luxus) und ordne ihren Einsatz den Stufen zu. Natürlich habe ich vorher den Schülern dieses Kompetenzraster gegeben und sie aufgefordert, in ihren Arbeitsnachweisen sich selbst einzuschätzen. Diese Einschätzungen habe ich dann in meine Bewertungslisten eingetragen.

Diese Einschätzungen kann ich dann in Ruhe am Schreibtisch in Trello nachlesen. Das Kompetenzraster kann man sich hier herunterladen: KR Engagement Projekt

Insgesamt hat sich die Arbeit mit http://www.Trello.com bewährt. Es ist ein einfaches, leicht zu bedienendes Tool, das für die Schüler intuitiv zu bedienen ist. Als Anmeldung wird nur eine E-Mail-Adresse benötigt. Über andere Erfahrungsberichte und Tipps würde ich mich freuen.

Inklusion schaffen mit differenziertem Lernarrangement

Inklusion? Klar, machen wir. Wir sind ja politisch korrekt. Und dann steht man da als Physik-Lehrer im Jahrgang 9 und steht 24 unterschiedlichen Schüler_innen gegenüber, von denen drei offiziell den Status von Förderschülern haben, etliche darüber hinaus eher große Schwierigkeiten mit dem Lernen haben – ohne dass sie einen Förderstatus haben. Drei Schüler haben den Ehrgeiz auf die Oberstufe gehen zu wollen. Und viele, die Veranstaltung, die man so Unterricht nennt, einfach über sich ergehen lässt. Das ganz normale eben. img_0875

Dass jetzt neben den ganzen verschiedenen Persönlichkeiten nun auch einige Förderschüler mit in der Klasse sitzen, macht die Heterogenität nur noch etwas bunter, die Bandbreite der Leistungsmöglichkeiten nur noch etwas größer. Ich musste mir also überlegen, wie ich auf diese Situation reagiere. Vielleicht kann mir das digitale Lernen weiterhelfen.img_0871

Ich habe die zwei wöchentlichen Physikstunden stark durchdifferenziert. Es gibt in diesen Stunden einen gemeinsamen Teil, in dem ich mit der Klasse über ein Thema spreche, etwas erkläre oder wir die Inhalte wiederholen. Der größte Teil der Stunde arbeiten die Schüler_innen selbstständig in ihren Tischgruppen. Dazu schreibe ich alle Aufgaben auf einen Arbeitsplan, der auf allen Tischen ausliegt. Die Schüler_innen nehmen sich entsprechend ihrer Leistungsfähigkeiten die Aufgaben heraus oder arbeiten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Grundlegende Anforderungen sind die Aufgaben in grün, „Advanced“ die Aufgaben in orange und blau sind die „master“-Aufgaben. phy9_ltb6_energieumwandlung

Die Aufgaben sind auch auf der Lernplattform, dem virtuellen Klassenraum, verfügbar. Diesen virtuellen Klassenraum habe ich über den Beamer auf die Leinwand projiziert. Hier sind dann auch noch Internetlinks und Videos zum Thema verfügbar. Die Erklärvideos sind auch mit einem QR-Code, der an der Wand hängt, abrufbar. Ja, die Schüler_innen dürfen ihre Handys für lernbezogene Dinge im Unterricht nutzen. Auf den Tischen liegen neben Büchern, dem Arbeitsplan, einem Kompetenzraster zur Beurteilung der Selbststeuerung ihrer Arbeit auch ein Macbook. Mit diesem kann an der Tischgruppe auf den virtuellen Klassenraum und weiteren Lernseiten zugegriffen werden. img_0872

Durch dieses Lernarrangement habe ich die Chance, von Tischgruppe zu Tischgruppe zu gehen, mit den Schüler_innen zu sprechen, Hilfen zu geben, zu motivieren usw. Ich kann also individuell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler_innen eingehen, je nach ihrem Lernniveau. Jetzt kann ich mir die Zeit nehmen, mit den Aspiranten auf die Oberstufe auf höherem Niveau zu sprechen, sowie den Förderschülern Hilfen und Tipps zu geben.

Theoretisch! In der Praxis bin ich natürlich nicht teilbar und habe viel zu wenig Zeit für die einzelnen Schülergruppen. Probleme mit dem Lernen bedeutet für viele Schüler_innen eben auch, kaum eigenen Antrieb zum Arbeiten zu haben. Ich verbringe viel zu viel Zeit damit, die jungen Leute dazu zu bewegen, überhaupt ihre Unterlagen herauszuholen, ihre Privatgespräche in die Pause zu verlegen oder sich überhaupt erst einmal auf eine Lernsituation einzulassen. Hierbei ist dann noch kein inhaltliches Wort gefallen. Für meine Wahrnehmung kommt inhaltlich viel zu wenig herum. img_0874

Helfen die digitalen Tools? Perspektivisch schon. Aber digitales Lernen erfordert genauso das Beherrschen von Kulturtechniken wie das Aufschlagen eines Buches. Das Aufschreiben von eigenen Inhalten mit einem Computer braucht genauso Kompetenzen wie das Schreiben in einem Heft. Diese müssen genauso gelernt werden wie das Schreiben mit Papier und Stift. Und bei den digitalen Kulturtechniken gibt es das gleiche Kompetenzgefälle wie bei den analogen Techniken. Also ist hier Beharrlichkeit wie immer beim Lernen gefordert. In einer Inklusionsklasse gehört das Arbeiten mit dem Computer genauso dazu wie das Ausschneiden und Aufkleben von Bildchen ins Heft.

Besonders die Animationen und die Erklärfilme helfen vielen Schüler_innen beim Verstehen von komplexen Dingen. Man kann sich diese Hilfen mehrfach ansehen, bis man es kapiert hat. Auf der Lernplattform kann ich die Links zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass die Schüler_innen nicht im Netz versinken.

Meine Antwort auf die Herausforderungen der heterogenen Gruppen in der Inklusion ist das hochdifferenzierte Arbeiten mit Arbeitsplänen und vielfältigen Lernangeboten. Diese Angebote liegen auf einem Materialientisch, wo sich jeder Schüler_in sich die für sich wichtigen Materialien nehmen kann. IMG_0873.JPG

Trotzdem sehe ich Grenzen, in wie weit ich den unterschiedlichen Anforderungen heterogener Schüler_innen-Gruppen als einzelner Lehrer gerecht werden kann. Neulich kam es im Rahmen der Notenbesprechung zu einem offenen Streit zwischen einer leistungsstarken und einer schwächeren Schülerin. Beide beschwerten sich, dass ich mich zu wenig um sie kümmere. Deshalb unterstütze ich die Volksinitiative „Gute Inklusion“ in Hamburg.

http://gute-inklusion.de

Die Volksinitiative hat eine Unterschriftensammlung in Hamburg gestartet, um die Bedingungen für Inklusion an den Schulen zu verbessern. Inklusion ist eben nicht zum Nulltarif zu bekommen.